Was tun bei falschen Beschuldigungen?
Eine falsche Beschuldigung kann das Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellen. Die Gefühle reichen von Wut über Angst bis hin zu völliger Verzweiflung. In dieser Situation ist es wichtig, die richtigen Schritte zu gehen.
1. Bewahre Ruhe
Auch wenn es schwerfällt: Versuche, tief durchzuatmen und einen klaren Kopf zu behalten. Du bist unschuldig und hast nichts zu verbergen. Panik hilft dir nicht weiter, aber ein ruhiger Blick auf die Situation gibt dir die Kontrolle zurück. Je gefasster du bleibst, desto besser kannst du handeln.
2. Prüfe, ob du Anspruch auf einen Pflichtverteidiger hast
Je nachdem, wie schwer die Vorwürfe sind, steht dir in der Schweiz ein Pflichtverteidiger zu. Dieses Recht ist in Art. 130 StPO festgehalten. Es gilt zum Beispiel bei schweren Straftaten, wenn dir eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht, bei Untersuchungshaft oder wenn du dich nicht selbst verteidigen kannst. Nutze dieses Recht, wenn es dir zusteht. Ein früher Beistand durch eine Fachperson kann entscheidend sein.
3. Sprich offen mit deiner Verteidigung
Dein Anwalt oder deine Anwältin kann nur so gut arbeiten, wie du sie mit Informationen versorgst. Erzähle alles, auch wenn es dir unwichtig erscheint. Kleine Details können später den Unterschied machen. Ehrlichkeit ist hier die beste Strategie – selbst Dinge, die dir unangenehm sind, gehören auf den Tisch.
4. Sichere Beweise, solange sie verfügbar sind
Bei Straftaten muss normalerweise die Anklage die Beweise liefern. Bei falschen Beschuldigungen zu sogenannten 4-Augen-Delikten ist das anders. Hier steht oft Aussage gegen Aussage. In solchen Fällen reicht es nicht, dass es keine Beweise gegen dich gibt. Du musst vielmehr aktiv alles sammeln, was deine Unschuld belegt.
Nimm dir Zeit, alles festzuhalten, was für deine Entlastung wichtig ist. Notiere dir Datum, Uhrzeit, Ort und Namen von Beteiligten. Speichere Chatverläufe, E-Mails, Fotos und Videos. Wenn es Zeuginnen oder Zeugen gibt, bitte sie, ihre Beobachtungen möglichst bald schriftlich festzuhalten. So gehst du sicher, dass nichts verloren geht.
5. Fristen im Blick behalten
Für eine Gegenanzeige wegen falscher Anschuldigung gilt in der Schweiz eine Frist von drei Monaten. Diese Frist steht in Art. 31 StGB und beginnt, sobald du weisst, wer dich beschuldigt hat. Der Straftatbestand der falschen Anschuldigung selbst ist in Art. 303 StGB geregelt. Auch andere Rechtsmittel sind an feste Fristen gebunden. Diese laufen oft schneller ab, als man denkt. Dein Anwalt oder deine Anwältin kann dir helfen, nichts zu verpassen.
6. Gegenanzeige erstatten, wenn es passt
Ob eine Gegenanzeige sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab. Sprich diesen Schritt immer zuerst mit deiner Verteidigung durch. Wenn du dich dafür entscheidest, handle innerhalb der Drei-Monats-Frist nach Art. 31 StGB. Deine Anzeige sollte klar und sachlich sein. Beschreibe genau, was passiert ist, und lege alle Beweise bei, die deine Darstellung stützen. Eine gut begründete Anzeige kann zeigen, dass du dich nicht einschüchtern lässt.
7. Nutze dein Aussageverweigerungsrecht
In der Schweiz darfst du die Aussage verweigern, bis du mit deiner Verteidigung gesprochen hast. Dieses Recht ist in Art. 113 StPO festgehalten und die Behörden müssen dich gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO zu Beginn der Befragung darüber informieren. Das ist kein Schuldeingeständnis, sondern ein Schutzmechanismus. So vermeidest du unüberlegte Aussagen, die dir später schaden könnten.
8. Keine spontanen öffentlichen Stellungnahmen
Es mag verlockend sein, deine Sicht sofort in sozialen Medien oder gegenüber Journalistinnen und Journalisten darzulegen. Doch solche Aussagen können schnell aus dem Zusammenhang gerissen werden. Warte, bis du dich rechtlich beraten hast, bevor du dich äusserst. Offene Kommunikation kann in bestimmten Situationen hilfreich sein, zum Beispiel gegenüber deinem Arbeitgeber, wenn Vertrauen und Vertraulichkeit gegeben sind. Achte jedoch darauf, dass auch solche Gespräche gut überlegt und im Idealfall mit deiner Verteidigung abgestimmt sind.
9. Bleibe kooperativ – aber mit Bedacht
Kooperativ zu sein bedeutet nicht, allem blind zuzustimmen. Arbeite mit deiner Verteidigung zusammen, halte Abmachungen ein und erscheine pünktlich zu Terminen. Gleichzeitig solltest du jede Handlung mit deinem Anwalt oder deiner Anwältin absprechen. Bei rechtlichen Fragen ist deine Verteidigung die Expertin. Bedenke jedoch, dass Anwältinnen und Anwälte oft viele Fälle gleichzeitig betreuen und nicht immer den gleichen Überblick behalten wie du. Für dich dreht sich alles um diese eine Anzeige. Nutze deshalb dein Wissen und deine Aufmerksamkeit, um gemeinsam mit deiner Verteidigung das bestmögliche Ergebnis zu erreichen.
10. Habe Geduld mit dem Verfahren
Ein Strafverfahren kann sich lange hinziehen. Es ist selten ein geradliniger Weg, sondern oft eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Manche Phasen fühlen sich hoffnungsvoll an, andere frustrierend. Halte durch und verliere dein Ziel nicht aus den Augen.
11. Sorge für dein seelisches Gleichgewicht
Eine falsche Beschuldigung ist nicht nur eine juristische und finanzielle, sondern auch eine emotionale Belastung. Rede mit Menschen, denen du vertraust. Scheue dich nicht, professionelle Unterstützung anzunehmen. Je stabiler du innerlich bist, desto klarer kannst du deine nächsten Schritte gehen.
12. Meide den direkten Kontakt zur Gegenseite
So gross die Versuchung auch sein mag, den Vorwürfen direkt entgegenzutreten – lass es lieber. Jede Begegnung kann falsch interpretiert werden. Überlasse alle Kontakte den offiziellen Kanälen.
13. Vergiss Entschädigungen nicht
Wenn du freigesprochen wirst oder das Verfahren eingestellt wird, kannst du in vielen Fällen Entschädigung für deine Anwaltskosten und sogar eine Genugtuung verlangen. Diese Ansprüche sind in Art. 429 ff. StPO geregelt. Du musst sie in der Regel aktiv beantragen, sonst verfallen sie. Neben den Verteidigungskosten kannst du auch weitere Auslagen geltend machen, zum Beispiel für privat in Auftrag gegebene Gutachten, Arztkosten, Kosten für begleitete Besuchstage oder andere notwendige Ausgaben im Zusammenhang mit dem Verfahren. Auch hier ist es am besten, wenn du alle Belege noch während des Verfahrens sammelst. Sprich dieses Thema rechtzeitig bei deiner Verteidigung an, damit keine Fristen verstreichen und du nichts vergisst.
Wenn du diese Punkte im Blick behältst, schaffst du dir ein stabiles Fundament, um dich zu wehren – juristisch, aber auch menschlich. Du bist nicht alleine. Dieser Blog soll ein Netzwerk aufbauen, in dem wir uns gegenseitig unterstützen. Nimm mit uns Kontakt auf, wenn du Hilfe brauchst.