Gemäss Art. 32 Abs. 1 BV ist die Unschuldsvermutung ein Grundrecht. Auf Gesetzesstufe statuiert Art. 10 Abs. 1 StPO, dass jede Person bis zu ihrer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt.
So das Gesetz. In der Realität sieht es anders aus, wie mein Bruder in den vergangenen fünf Monaten am eigenen Leib erlebt hat. Seit die Beschuldigungen ausgesprochen waren, hat er Vorurteile und Vorverurteilungen erlebt.
Die Anschuldigungen sind heftig: Er soll seinen Sohn körperlich misshandelt und sexuell missbraucht haben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft kann ich nachvollziehen, dass sie diesen Vorwürfen nachgehen muss. Die Ermittlung muss aber der Ermittlungsbehörde überlassen werden.
Dennoch scheinen die weiteren beteiligten Behörden und Personen nach dem Grundsatz zu handeln, dass sie nicht selbst unter die Räder kommen wollen. Es könnte ja etwas Wahres dran sein.
Doch was, wenn alle Anschuldigungen erlogen sind und nur darauf abzielen, eine alternierende Obhut zu verhindern und eine Entfremdung zwischen dem Kind und dem beschuldigten Elternteil zu erwirken? Was, wenn die Besuchsbeiständin, die KESB, das Bezirksgericht und sogar die Spielgruppenleiterin den Missbrauch des Missbrauchs mit ihrem Verhalten zusätzlich fördern?
Sobald die Falschbeschuldigungen im Raum sind, sehen die Beteiligten eine mögliche Wahrheit dahinter und handeln danach. Sie ignorieren die Unschuldsvermutung und realisieren nicht, dass sich dadurch auch ihre eigene Wahrnehmung verändert. Sie sind gar nicht mehr in der Lage, der beschuldigten Person urteilsfrei zu begegnen.
Bei der Spielgruppenleiterin geht es sogar so weit, dass sie nicht nur meinem Bruder, sondern auch uns als Familienangehörige mit Vorurteilen begegnet.
Am 4. November, dem Geburtstag meiner Mutter, waren wir zufällig in der Region und entschieden uns spontan, meinen Neffen in der Spielgruppe zu besuchen. Davor hatten wir ihn mehrere Monate nicht gesehen.
Als wir dort ankamen, sass mein Neffe alleine am Znünitisch und wirkte gelangweilt. Er winkte meiner Mutter, sobald er sie sah. Die Spielgruppenleiterin willigte ein, dass wir hineingehen können.
Sofort zeigte uns mein Neffe alles: Hier ist die Küche. Hier kann man einkaufen. Hier hat es Bücher. Er kletterte sogar auf die Harasse, die als Bücherregal dienten, um mir alles zu zeigen. Anschliessend schnappte er sich ein Steckenpferd und ritt ein paar Runden, bevor er schliesslich bei den Spielzeugautos anhielt.
Schwungvoll leerte er die Kiste mit den Autos aus und spielte damit. Als die Znüni-Glocke erklang, ging er zum Znünitisch und bot meiner Tochter Kayla einen Platz neben sich an. Die Spielgruppenleiterin hatte unserem Besuch aber nur unter der Bedingung zugestimmt, dass wir bei der Znünipause wieder gehen. Kayla weinte, da sie gerne noch länger geblieben wäre.
Monate später war die Spielgruppenleiterin als Belastungszeugin zu einer Einvernahme bei der Polizei eingeladen. Dort sagte sie aus, dass der Junge völlig verängstigt war, sobald er uns sah, und erst wieder spielen wollte, nachdem wir gegangen waren.
Für mich sieht das nach Spielen aus – wie seht ihr das?


Ich will der Spielgruppenleiterin nicht unterstellen, dass sie bewusst gelogen hat. Ihre Zeugenaussage zeigt aber doch sehr deutlich, wie stark ihre Wahrnehmung durch eine angenommene Wahrheit beeinflusst wurde.
Die Unschuldsvermutung ist ein nobler Grundsatz und in der Bundesverfassung verankert. Für falsch Beschuldigte hat dieser Gesetzesartikel aber keinen Effekt.